Schauspieler auf Abwegen – Der Aargau spielt die Hauptrolle

Besuch beim grössten Theaterverlag der Schweiz, herzerwärmende Einblicke in die Arbeit einer Stiftung, eine Rundumsicht über Aarau von der Dachterrasse und eine gemütliche Schifffahrt: Die rund 30 Teilnehmenden des Vereinsausflugs der Heimatbühne Werdenberg stellten rasch fest, dass Vereinsreisen fast so unterhaltsam sein können wie eine Premiere.

Erster Halt: Breuninger Theaterverlag in Aarau. Der über 100-jährige Verlag – 1922 von Arthur Breuninger gegründet – ist seit neun Jahren ein Familienunternehmen. Geschäftsführer ist Enrico Maurer. Der heute 28-Jährige hält die Fäden in der Hand und sprüht förmlich vor Energie, wenn er von seinen Anfängen erzählt. Schon als Teenager schrieb er eigene Theaterstücke und kam so erstmals in Kontakt mit dem Verlag. 2016 suchte Patron Arthur Breuninger einen Nachfolger – und wollte ausgerechnet den damals 20-jährigen Maurer einsetzen. Motivation war reichlich vorhanden, Geld nicht. Dank der Unterstützung seiner Eltern konnte er die Leitung übernehmen. Seither beschäftigt der Verlag vier Mitarbeitende – darunter auch Vater Leo und Mutter Serena.

Blick hinter die Kulissen

Rund 400 Manuskripte erreichen den Verlag jährlich, etwa sechs Prozent davon werden ins Programm aufgenommen. Zwei Drittel stammen aus Schweizer Federn. Seit der Gründung 1922 sind es über 200 Autorinnen und Autoren mit mehr als 5’000 Stücken aller Genres. Maurer kennt sie alle. Ein besonderes Highlight: In Maurers Büro lagern Originaltexthefte von Schauspielerlegenden wie Inigo Gallo, Ruedi Walter und Margrit Rainer. «Es ist mir eine Ehre, diese für die Nachwelt aufbewahren zu dürfen», sagt er stolz.

Publikum heute anspruchsvoller

Theatervereine suchten vermehrt zeitgemässe Stücke, erklärt Maurer. Weniger Monologe, mehr Tempo. «Die Leute wollen authentische Geschichten, die ins Jahr 2025 passen. Es muss Schlag auf Schlag gehen – und von der ersten Sekunde an packend sein», so Maurer. Abendfüllende Dreiakter dauern heute selten länger als 100 Minuten. Grund dafür sei die jederzeit verfügbare Unterhaltung.

Stöbern ausdrücklich erwünscht

Immer wieder reisen Vereine nach Aarau, um in den farbig geordneten Theaterbüchern zu stöbern. Maurer liebt es, durch die Gestelle zu streifen, Texthefte zu studieren und individuelle Lesemappen für Theatergruppen zusammenzustellen. «Jede Gruppe hat ihren eigenen Stil. Wir richten uns nach ihren Bedürfnissen.» Die Texthefte werden noch immer von Hand produziert – gedruckt, gefaltet und geschnitten. «Immer am Donnerstag fertigt meine Mutter die Rollenhefte an», erzählt Maurer. PDF-Ausgaben seien kaum gefragt – mit Papier und Textmarker spiele es sich eben am besten.

Junge Autorinnen und Autoren im Fokus

Neben Klassikern und Bühnenfassungen bekannter Filme wie Hinter den sieben Gleisen oder dem Kinohit von 2017 Die göttliche Ordnung setzt der Breuninger Theaterverlag bewusst auf neue Stimmen. Mit Joel Müller (Drei Geister für Charlène) und Noelle Bruni (En Bombestimmig) konnte er ein junges Autorenduo gewinnen. Daneben arbeitet der Verlag auch mit bekannten Grössen wie Beat Schlatter, Martin Suter, Charles Lewinsky oder Mike Müller – und öffnet sich zudem internationalen Autorinnen und Autoren.

Ein Stiftungsleiter mit begnadeter Stimme

Ein Imbiss im hauseigenen Bistro der Stiftung David Dienst Schweiz war der nächste Höhepunkt. Marco Jörg, Gründer und Geschäftsführer der Stiftung und seit Geburt blind, beeindruckte die Gäste nicht nur mit seiner Lebensgeschichte, sondern auch mit einem spontan gesungenen Musikstück. Die Stiftung bietet ein umfassendes Unterstützungsangebot für Menschen in unterschiedlichsten Lebenslagen. Ob Menschen mit psychischen Belastungen, mit beruflichen Herausforderungen oder einem Handicap: Sie alle finden hier eine vertrauensvolle Anlaufstelle und Unterstützung, um neue Wege zu finden.

Zischendes Nass

Am Nachmittag wartete eine Schifffahrt auf dem Hallwilersee. Mit Wind in den Haaren, Blick auf den türkisfarbenen See und die umliegenden Hügel genoss die Reisegruppe entspannte Gespräche und die sommerliche Stimmung. Den Abschluss des abwechslungsreichen Tages machte ein feines Nachtessen mit Blick auf den glitzernden Hallwilersee. Für die passende Tafelmusik sorgte – wie bestellt – die Örgeligruppe aus dem bernischen Wynau. Sie befand sich ebenfalls auf Vereinsreise und erfreute die Heimatbühne mit lüpfigen Klängen.

Bilder der Reise